Tod im Arbeitsamt Frankfurt – Trauer um Christy Schwundeck

Demonstration am 18. Juni in Frankfurt / Trauer um Deutsch-Nigerianerin, die im JobCenter Frankfurt-Gallus von der Polizei erschossen wurde.

Die Initiative Christy-Schwundeck fordert Aufklärung, Gerechtigkeit, Entschädigung. In Frankfurt/Main haben sich Arbeitslosen-AktivistInnen und Organisationen afrikanischer Einwanderer zusammen geschlossen.

Die afrikanischen Communities in Deutschland sind voller Sorge und Empörung über diesen Todesfall.

Die Kölner Ortsgruppe der Industrial Workers of the World unterstützt den Demonstrationsaufruf de „Intitiative Christy Schwundeck“ und bereitet eigene Aktionen vor.

Die IWW München hat ein Flugblatt zum Fall Christy Schwundeck veröffentlicht (hier als pdf).

Kommentar von Heiner Stuhlfauth, IWW Köln:

Einen Monat nachdem die mittellose Christine Schwundeck von der Polizei im JobCenter Frankfurt-Gallus durch einen Bauchschuss aus einer Polzeiwaffe gezielt geötet wurde, einen Monat, nachdem eine beispiellose Medienhetze losbrach, die anstelle der getöteten Arbeitslosen die anscheindend überforderte bzw. schlecht geschulte Polizei bemitleidete und die Schilderung des Tathergangs unhinterfragt von den Tätern und Verursachern des Konflikts- hier JobCenter und Frankfurter Polizei – übernahm, einen Monat später also wird es in Frankfurt eine Demonstration geben. Der Zusammenschluss von afrikanischen Einwanderern und Arbeitslosenaktivisten ist eine sehr ermutigende Entwicklung und wahrscheinlich die einzig positive Folge dieser Tragödie.

Der nicht erklärte Krieg

Wir dürfen diese Tat nicht unkommentiert hin nehmen, etwa als Kollateralschaden. In einem Land, in dem jeder getötete Soldat aus Afghanistan mit einem Staatsbegräbnis zu Grabe getragen wird – heute kamen laut BILD-Bericht über 400 Trauergäste plus Verteidigungsminister in Hannover zusammen – sollten wir auch an dieses Opfer des nicht erklärten sozialen Krieges denken, der am 1. Januar 2005 begann und Hartz IV heißt.

Es ging um eine Auszahlung von 50 Euro, die das JobCenter Frankfurt ihr nicht geben wollte, eine Willkürmaßnahme gegen die Frau Schwundeck sich verzweifelt gewehrt hat. Dass sie – wie es Behörde und Polizei übereinstimmend erklären, wir aber nicht überprüfen können – wahrscheinlich ein Messer bei sich trug und sie dieses schlussendlich gegen einen Polizeibeamten eingesetzt haben soll, wollen wir nicht verharmlosen, geschweige denn gut heißen.

Dass die gezielte Tötung als völlig logische Folge der Vorgänge auf dem JobCenter Frankfurt-Gallus verhandelt wird, können wir dennoch nicht hinnehmen. Denn jeder aufrechte Arbeitslose kennt den zunehmenden Trend der Ämter, renitente ArbeiterInnen per Security und Hausverboten einzuschüchtern und zu entfernen. Und diese werden underer Erfahrung nach immer öfter willkürlich, vorschnell, ungerechtfertigt ausgesprochen. Wir werden uns an die Versuche, das systematische Hartz-Unrecht in deutschen Ämtern mit Security und Polizei vor dem Zusammenbruch zu bewahren nicht gewöhnen. Wir halten diese Strategie außerdem für erfolglos, denn so wird der Hass auf Seiten der Arbeitslosen nur weiter steigen.

Die Media-Watch-Organisation „Der Braune Mob“ hat in einer lesenswerten Presse-Erklärung die rassistisch eingefärbte Berichterstattung des Falls in der Presse kritisiert.

Der Demonstrationsaufruf der Initiative Christy Schwundeck:

Warum wurde Christy Schwundeck getötet?
Wir fordern Aufklärung!

Wir sind wütend und traurig: Christy Schwundeck wurde von der Polizei erschossen! Wir fordern Aufklärung und Gerechtigkeit für Christy Schwundeck!

Am 19. Mai 2011 wurde Christy Schwundeck in einem Jobcenter in Frankfurt am Main von der Polizei erschossen. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt behauptete noch am selben Tag vor der Presse, es handele sich eindeutig um Notwehr, da Frau Schwundeck die Polizei mit einem Messer attackiert habe. Die Deutsche Polizei-Gewerkschaft bezeichnete in einer zynischen Pressemitteilung „ausrastende Antragsteller“ als das Problem und machte Jobcenter-Mitarbeiter und Polizei zum Opfer.

Wir fragen: Warum sollen wir akzeptieren, dass zwei bewaffnete und ausgebildete Polizisten eine Frau mit einem Messer nicht entwaffnen, sondern direkt erschießen?

Wir fragen: Wie kann es sein, dass Polizeibeamte so schnell zur Waffe greifen und in den Bauch, also mit eindeutig tödlicher Wirkung, schießen?

Soll hier wieder vertuscht werden, wie es zum Tod eines schwarzen Menschen in Deutschland kam? Das Verhalten der Polizei, die Christy Schwundeck in den Bauch und damit tödlich verletzte, wurde und wird nicht auf die Tagesordnung gesetzt. Wir erinnern uns an andere Opfer polizeilicher Gewalt, deren Tod nie aufgeklärt wurde. Wir nennen Dominique Kumadio, der 2008 in Dortmund von Polizisten aus dem Auto heraus erschossen wurde – es kam nie zu einem Prozess gegen die Polizeibeamten. Wir nennen Mariame N’Deye Sarr, die 2001 von einem Polizisten mit ihrem Kind auf dem Arm erschossen wurde und deren Tod nie aufgeklärt wurde. Wir nennen Oury Jalloh, dessen Mord in einer Polizeizelle in Dessau nur nach hartnäckigem Kampf vor Gericht gebracht wurde und dessen Mörder bis heute nicht bestraft wurden. Wir müssten viele weitere nennen…

Wir fragen: Wer ist der Nächste? Sollen wir wieder akzeptieren, dass eine Erschießung verharmlost und vertuscht wird und unaufgeklärt bleibt?

In der Presse wurde Christy Schwundeck nicht nur als verrückt und aggressiv dargestellt und die schießende Polizistin zum Opfer erklärt, sondern weitere diskriminierende Stichwörter wie „Drogen“ und „ungeklärter Aufenthalt“ genannt. Der Name der Erschossenen wurde nicht genannt. Sie wurde anonym, ohne Namen und Gesicht.

Wir fragen: Wie kann es sein, dass die Medien ein Opfer verunglimpfen und beschimpfen? Wie kann es sein, dass niemand die Frage nach dem Verhalten der Polizei stellt?

Die Behörde wurde geschlossen, weitere Informationen zum Geschehen wurden nicht veröffentlicht und der Name erst eine Woche später veröffentlicht. Als Verwandte von Christy Schwundeck als Ausdruck ihrer Trauer einen Kranz in der Behörde niederlegen wollten, wurden sie daran gehindert, der dann vor dem Gebäude abgelegte Kranz umgehend entfernt.

Wir fragen: Soll Christy Schwundeck verschwinden, damit die Täter straffrei bleiben?

Wir sagen: Christy Schwundeck war eine von uns! Sie war Mutter und Frau, sie war ein Mensch mit Träumen und Hoffnungen, mit Freuden und mit Leiden! Wir lassen nicht zu, dass sie vergessen wird. Wir lassen nicht zu, dass sie diffamiert wird, damit es gerechtfertigt erscheint, dass sie getötet wurde!

Wir fordern die lückenlose Aufklärung der Erschießung von Christy Schwundeck!

Wir fordern ein ordnungsgemäßes und rechtsstaatliches Gerichtsverfahren gegen die Polizeibeamten!

Kommt zur Demonstration am Samstag, 18. Juni nach Frankfurt am Main!

14h Trauermarsch ab Frankfurt-Hauptbahnhof, Frankfurt
16h Kundgebung mit Redebeiträgen an der Frankfurter Polizei-Hauptwache

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